Ja, im Moment ist das Thema mal wieder Trend. Nicht, dass es das nicht schon x-mal gegeben hätte. Eigentlich sogar ziemlich regelmäßig, aber bookstagram/bookthreads leidet an Amnesie und daher ploppt das Thema immer wieder neu auf.
Buchpreise sind hoch und steigen immer weiter. Aber warum?
Um das zu verstehen, muss man zunächst zwei Arten des Veröffentlichens gedruckter Bücher voneinander trennen.
1. Auflagendruck
Hierbei wird eine feststehende Menge an gedruckten Büchern vorproduziert, um sie dann (hoffentlich) restlos verkaufen zu können. Der Nachteil: Das kalkulatorische Risiko des Verlags oder Autors ist hoch, denn niemand kann wirklich wissen, wie viele Bücher letztlich benötigt werden und die Chance, auf »Papiermüll« sitzen zu bleiben, ist enorm. Die Vorteile: Je höher die gedruckte Menge, desto geringer die Produktionskosten und desto geringer auch der Ladenpreis. Es bestehen diverse Möglichkeiten der Veredelung des Buchumschlags.
2. Print on Demand
Hier wird ein Buch erst dann gedruckt, wenn es tatsächlich bestellt wird. Die Nachteile: Diverse Möglichkeiten der Veredelung sind hier nicht möglich. Die Druckkosten sind um ein Vielfaches höher; selbst eine nur geringe Auflage (300-500 Stück) ist kostengünstiger im Druck. Der Vorteil: Es besteht kein kalkulatorisches Risiko, da einzig das produziert wird, was verkauft wird.
Ein Beispiel:
Mein letztes Print umfasst 292 Seiten. Im PoD-Verfahren kostet es mich allein im Druck ca. 6€, im Verkauf komme ich auf 14€, sofern ich hinnehme, dass ich dabei lediglich 1€ Umsatz mache, denn Barsortiment und Einzelhandel wollen ebenfalls ihren Anteil. Hätte ich es als Auflage (500 Stück) produziert, lägen die Druckkosten bei ca. 1,50€, die diversen Dienstleister hätten auf dem Weg ebenfalls ihren Anteil gewollt, sodass ich bei ~12€ als Ladenpreis rausgekommen wäre. Gewinn für mich: ~2,50€, aber auch nur, wenn ich (unbezahlte) Lagerfläche besitze, um den Teil der Auflage einzulagern, den der Vertriebsdienstleister vorerst nicht in sein Lager aufnimmt. (Was bei inzwischen 40 Prints eher unwahrscheinlich ist, denn ich müsste gefühlt mehrere tausend Bücher kostenlos zwischenlagern können.)
Realistisch gesehen sind wir also auf beiden Wegen bei ~1€ Gewinn für den Autor und einzig der VK schwankt zwischen 12 und 14€.
Klingt mies, oder? Denn sofern kein Verlag dabei ist, hat der Autor ja auch Kosten mit Cover Design, Buchsatz, Korrektorat, Lektorat und ggf. Illustrationen. Vom Marketing will ich gar nicht erst anfangen.
Theoretisch müsste ich also den Buchpreis anheben. Das kann ich aber nicht, weil es dann nicht mehr gekauft werden würde. Marktwirtschaft lässt grüßen. Das ist übrigens kein Vorwurf; Geld wächst bei keinem von uns auf Bäumen, wir alle müssen haushalten.
Schwierig wird es erst dann, wenn Lesende auf hochwertige Buchveredelung zum günstigen Preis »bestehen«. 18€ für ein veredeltes Print ist nicht die Ausnahme, es ist die Norm und nein, weder Verlag noch Autory schwimmen anschließend im Geld.
»Früher war alles besser und billiger!« Ja, aber früher sind wir zum sch***en auch nach draußen ins Plumpsklo gegangen. Sparte Wasserkosten, aber … nun ja. Autoren und Verlage können nichts für die Teuerung. Jeder Mensch in der Wertschöpfungskette möchte (vernünftig) bezahlt werden, allein das lässt Buchpreise regelmäßig steigen. Wertstoffknappheit (Papier) tut dann sein Übriges dazu.
Ich kann verstehen, dass euch das zu teuer ist. Aber das wird nichts daran ändern, dass dies aktuell eben realistische Preise sind. Wir können nicht einerseits darauf bestehen, dass jeder Mensch selbst bei Mindestlohn von seiner Arbeit leben kann, andererseits jedoch Preise monieren, die dann auf Werkstücke (denn Bücher sind genau das) angesetzt werden müssen, um diese Einkommen zu finanzieren.
Es ist absolut nachvollziehbar, dass kein Mensch jeden Monat 100€ und mehr in dieses Hobby stecken kann. Man kann sich stattdessen Bücher ausleihen, sei es in der Bibliothek, bei einer Online-Leihe (Kindle Unlimited bspw.) oder bei Freunden. Sie können sie aber auch gebraucht kaufen.
Für alle, die jetzt monieren, dass dann der Autor ja nichts daran verdient: Jain. Schon immer gab es einen Unterschied zwischen Auflagenhöhe und Reichweite. Bei Büchern betrug der Faktor vor zwanzig Jahren übrigens 10. Sprich: Ein verkauftes Buch erreicht zehn Lesende. An 9/10 Lesenden verdient der Autor an diesem speziellen Buch nichts, aber die Chance, dass mindestens einer dieser Geisterleser später ebenfalls ein weiteres Buch dieses Autorys kauft, ist ungleich höher, als wenn er dieses Buch nicht gelesen hätte. Verbuchen wir das also gepflegt unter Marketing. Für Bibliotheksbücher gilt das ungleich mehr und für diese werden wir (anteilig) tatsächlich bezahlt, sofern wir uns bei der VG Wort anmelden und an der Ausschüttung teilnehmen.
Lesende können aber auch zum eBook greifen, denn die sind – zumindest bei Selfpublishern – i. d. R. um ein Vielfaches günstiger als das Print.
Aber warum ist das so? Und warum ist das nicht immer so?
Auch hier muss man wieder zwei verschiedene Wege betrachten:
1. eBooks von Verlagen sind meist nur minimal (~1€) günstiger als das Print, obwohl hierbei ja viele Dinge gar nicht bezahlt werden müss(t)en. Das liegt daran, dass Verlage das eBook nutzen, um die Prints querzufinanzieren. Verlage haben für die Prints eine ziemlich kostenintensive Infrastruktur. Um die Printpreise nicht noch weiter hochzutreiben, wird ihr Faktor auf den Preis des eBooks angerechnet. Ebenfalls gilt: Je höher der eBook-Preis, bzw. je geringer die Differenz zum gedruckten Buch, desto mehr Menschen werden zum Print greifen. Das minimiert das kalkulatorische Risiko, auf gedruckten Büchern sitzen zu bleiben.
2. eBooks von Selfpublishern hingegen liegen meist unter 6€, was oftmals lediglich ein Drittel des Printpreises bedeutet. Warum? Weil sie keinen Faktor für die Print-Infrastruktur auf diese Bücher anlegen müssen, da die Mehrheit via PoD veröffentlicht. Der Umsatz – nicht Gewinn! – liegt bei besagten 6€ VK bei ~4€, vorausgesetzt, er liefert seine Bücher direkt in die Shops ab und nutzt keinen Vertriebsdienstleister. Oder kurz gesagt: Ein Selfpublisher verdient an einem kostengünstigen eBook mehr als an einem gedruckten Buch.
Verdienen bedeutet aber nicht gleich Gewinn. Es bedeutet Umsatz. Und schon kommt es zu jenem anderen Punkt, der in mehr oder minder regelmäßigen Abständen immer wieder durch bookstagram getrieben wird: der Stundenlohn des Autors.
An dieser Stelle gehe ich aufgrund einer relativ nüchternen BWL-Perspektive an das Thema, blinzele knapp über den Brillenrand in eure Richtung und sage: Ihr vergleicht hier Äpfel mit Birnen.
Bücher, egal ob Print, eBook oder Hörbuch, sind Werkstücke, ein Stundenlohn kann somit also gar nicht gemessen werden, lediglich ein fiktiver Stundenlohn assoziiert werden, um zu überlegen, ob der am Ende (nach Kalkulation aller Kostenfaktoren bei der Produktion) herauskommende Preis am Markt überhaupt realistisch wäre.
Mal eine Rechnung fürs Milchmädchen:
Ein Autory benötigt acht durchschnittliche Arbeitswochen für die »Produktion« eines Buches. Bei Mindestlohn ergäbe sich somit ein Kostenfaktor von: 3.971,20€.
Zzgl. Cover Design (200€), Buchsatz (400€), Korrektorat (1.500€) und Lektorat (2.500€) sind wir bei der lächerlichen Summe von 8.571,20€ Produktionskosten für eine Neuerscheinung. (Preise können selbstredend variieren.)
Damit ein Autory also auch nur im Mindestlohnsektor kostendeckend arbeiten kann, müsste er nun also garantiert 2.143 eBooks (Print ungleich mehr) für 6€ verkaufen. Oder aber ich setze den Preis des eBooks so hoch, dass ich vielleicht nur noch 1.000 verkaufen muss, um kostendeckend zu sein.
Ist das realistisch? Nein, denn ist das eBook zu teuer im Vergleich zu den anderen Teilnehmern am Markt, bleibt das Buch liegen und die Chance, auch nur 1.000 eBooks zu verkaufen, ist geringer als das Risiko, keine 2.143 eBooks zu verkaufen.
Willkommen in der Marktwirtschaft.
Buchpreise unterliegen tatsächlich rein marktwirtschaftlicher Betrachtung: Welchen Preis kann ich nehmen, um neben den diversen anderen Marktteilnehmern attraktiv zu bleiben? Welchen Preis kann ich nehmen, um mir einen Vorteil zu verschaffen?
Ziel des Spiels ist es, so viele Bücher wie möglich zu verkaufen. Das birgt ein horrendes unternehmerisches Risiko, denn die Wahrscheinlichkeit, nicht kostendeckend im Sinne des Mindestlohns zu arbeiten, ist quasi fest einzementiert.
Als (Indie-)Autory muss ich also das Pferd von der anderen Seite aufzäumen, wenn ich nicht demnächst eine Haarfarbe mit perfekter Grauabdeckung kaufen oder die Dosis meiner Betablocker erhöhen will. Ich darf meinen Stundenlohn gar nicht erst in die Kalkulation einfließen lassen, sondern kann lediglich vom bestmöglichen Verkaufspreis »rückwärts« blicken. Wenn das eBook 6€ kostet, wie viel muss ich pro Monat davon absetzen, um meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen? Je mehr Bücher ich dabei in der Backlist habe, umso geringer wird übrigens der Druck, der auf der Neuveröffentlichung lastet, denn jedes »alte Buch« summiert sich zu einem »Grundrauschen« auf, mit dem man planen kann. Vielleicht wird dadurch jetzt auch deutlich, warum es Autorys gibt, die unfassbar schnell unfassbar viel veröffentlichen: Sie suchen sich ihren Platz am Markt. Sie werden sich später mit Tränen in den Augen zurücklehnen und sagen: Ich habe es geschafft, ich kann vom Gas gehen und endlich tief durchatmen.
Vergesst die unzähligen Stunden, die ihr an eurem Buch gesessen habt. Hört auf, wie Angestellte zu denken. Ihr seid selbstständig. Stundensätze und Mindestlöhne sind ein Hoax.