Männer schreiben mit dem Schwanz

… und Frauen mit der Pussy.

Ja ja, ich weiß, schon wieder so ne verdammte Clickbait-Headline. Aber wirklich, im Moment kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte. Der Grund?

Eine Aktion von Recensio Online, die unter dem Hashtag #frauenkönnenschreiben jeder Frau der schreibenden Zunft ins Knie fickt.

Darin wird eiskalt behauptet, dass schreibende Frauen in der Literatur vernachlässigt würden. Belege? Ach Quatsch! Wer braucht schon Belege, wenn er einfach mal eine These in den Raum stellen kann. Sexismus ist doch immer ein tolles Mittel, um sich selbst ins Gespräch zu bringen. Einfach mit dem Finger auf etwas zeigen, laut »Sexismus« brüllen und es werden sich mit Sicherheit viele Anhänger*innen finden, die das Ganze ebenso ungeprüft übernehmen. Dann kann man noch einen schicken Trailer dazu machen, in dem Frauen ihre Druckwerke in die Kamera wedeln und alles wird gut. Denn man wird ja gefeiert.

Was tut man nicht alles für die 5 Minuten Ruhm?

Aber was ist jetzt eigentlich dran an dem vermeintlichen Sexismus, der ja angeblich mit Studien belegt werden könne? (Selbstredend ohne Quellenangabe und auch ohne Verständnis dessen, wozu Studien dienen und wozu eben nicht – dafür empfehle ich übrigens den Podcast von MaiLab, der zwar zu einem anderen Thema, aber dafür sehr schön, erklärt, warum man niemals einzelne Studien aus einem Pool fischen sollte, um seine These zu untermauern.)

Fangen wir mal an einem mehr oder minder beliebigen Punkt der Dosenpyramide an: dem Geld.

Für die Jahre 2016/17 hat Forbes vor einer Weile Zahlen geraten und folgendes festgestellt: Von den 10 reichsten Verlags-Autoren sind 5 weiblich. Die dazu in der Kristallkugel geschüttelten … äh … geschätzten Zahlen besagen zudem, dass 114,5 Mio $ dabei auf den Konten von Frauen und 157 Mio $ auf den Konten von Männern vor sich hinschimmeln. Geile Zahlen, oder? 42,5 Mio $ Unterschied kann man aber natürlich dafür heranziehen, um zu belegen, dass Frauen in der Literatur schlechter gestellt sind. Irgendwer dieser zehn Menschen wird vermutlich auch gerade in die Tränenvase heulen. Spoiler: J. K. »The TERF« Rowling wird es mit ihren 95 Mio und Platz 1 der Liste nicht sein.

Das ging also schon mal schief. Schauen wir uns daher mal die nächsten überprüfbaren Informationen an: die diversen Bestsellerlisten. Keiner weiß, wie sie exakt arbeiten. Keiner weiß, welche Datenlage ihnen zugrunde liegt, aber sie sind da. Von BILD, von Spiegel und selbstredend in jedem einzelnen verdammten Shop. Will man also schauen, ob Frauen in der Literatur benachteiligt sind, sollte das doch eindeutig dort abzulesen sein, oder?

Na denn … Die Top 20 der BILD-Bestseller in der Woche vom 28.09.-04.10.2020 wurden – hier bitte Trommelwirbel einfügen – auf insgesamt 13 Plätzen von Büchern weiblicher Autoren belegt. Schaue ich nur auf die Top 10 sind es sogar 8 Plätze.

Huch!? Was ist denn da los? Etwa kein alter, weißer Mann in der BILD-Redaktion gewesen? Haben die Urlaub? Freigang? Ist wieder ein Kind in den Fleischwolf gefallen? Wie kann das sein?

Ach! Das war doch nur ZUFALL! Ja, genau!

Schauen wir also weiter. Was sagt eigentlich der Spiegel, dieses Qualitätsmagazin des tradierten Rollenbildes?

Da es hier etwas aufgeschlüsselter ist, entscheide ich mich für die Top 20 der Belletristik im Bereich Taschenbuch und siehe da: Da sind es nur noch 7 von 20 Plätzen. Ja, ich sehe wirklich die Benachteiligung, heule, während ich durchscrolle, und hätte fast eine lustige kleine Fußnote übersehen: die Daten stammen von media control, bzw. dem buchreport. Genau gesagt steht da, wenn man dem erläuternden Link folgt: »Die Bestsellerlisten werden durch elektronische Abfrage in den Warenwirtschaftssystemen buchhändlerischer Verkaufsstellen ermittelt.«

Wow. Zu Deutsch: Ein großer Teil des Buchmarktes wird gar nicht erfasst. Es werden ausschließlich die Daten berücksichtigt, die von Verlagen bzw. den Buchhandelsketten/Barsortimentern zur Verfügung gestellt werden. Hm …

Was auf den ersten Blick plausibel klingt, hat also einen Haken: Es erfasst einen Teil des Marktes gar nicht. Denn nicht jeder Autor speist über Verlag oder Barsortiment ein. Erst recht nicht, wenn es um eBooks geht. Wie valide sind also die Zahlen, die man uns hier präsentiert?

Schauen wir also weiter: in die Bestsellerlisten der Shops. Und wenn wir das tun, gibt es quasi keine Möglichkeit, am großen A vorbeizukommen. Die Logik, mit der die dortige Top 100 berechnet wird, ist so transparent wie der Inhalt einer Wurst, aber sei’s drum. Amazon will Bücher verkaufen, entsprechend werden wir dort wohl auf die eine oder andere Weise erfolgreiche Bücher finden.

Der Einfachheit halber beschränke ich mich auch hier auf die Top 20 der Kindle Charts und … Oh Schreck! 16 von 20 Plätzen (Stand: 08.10.2020, 14:14 Uhr) werden von Frauen belegt! Wie kann das sein, wenn der Buchmarkt doch so sexistisch ist, dass man schon den trotzig-selbstdiskriminierenden Hashtag #frauenkönnenschreiben hochhalten muss, um gesehen zu werden?

Das muss ein Fehler sein! Ich versuche also, das Spiel mit gedruckten Büchern zu wiederholen, scheitere jedoch an den Top 100 Bücher, da diese unsortiert sind und ich nicht glauben will, dass das BGB wirklich der absolute Bestseller ist. (Ist schon wieder Semesteranfang und die Juristen bluten in der ersten Woche?) Amazon misst den eBooks offensichtlich einen höheren Stellenwert zu als den verschiedenen Formen des Prints.

So langsam wird mir das Spiel zu blöd, ich raff alles Weitere daher nur noch zusammen: Thalia – 10 von 20 Plätzen der eBook-Charts. Google – 16 von 20 Plätzen der eBook-Charts. Apple Books – 6 von 20 (Okay, aber ich kann angebissene Äpfel ohnehin nicht ausstehen.) Wie gesagt, alles Stand heute (08.10.2020), mittlerweile 14:30 Uhr.

Gut geschüttelt ergibt das also ein relativ ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter und mir wird immer rätselhafter, wie Recensio auf seine Aussage kommt. Aber schauen wir genauer hin, was die Seite so sagt:

  1. In deutschen Verlagen seien Frauen unterrepräsentiert.
    Ich kann ums Verrecken keinen Beleg dafür finden. Aber wenn ich einfach mal pauschal davon ausgehe, dass es irgendwo kurz vor dem Ende des Internets einen solchen Beleg gibt, dann fehlt da immer noch ein wichtiger Punkt: Der Indie-Buchmarkt wird damit gar nicht erfasst. Eines der größten Segmente des Buchmarktes, die Romance, besteht aber zum überwiegenden Teil aus Indie-Autorinnen. Und zwar solchen, die allesamt als professionelle Unternehmer kaum einen Gedanken daran verschwenden, ihre Arbeitsleistung einem Verlag zur Verfügung zu stellen.
  2. In den Bücherregalen …
    Äh? Welchen? Denen der Buchhändler? Ich war da schon seit längerem nicht mehr, denn der größte Teil des Handels geschieht mittlerweile online. Wenn Buchhändler sich also (weil das nämlich alles alte, weiße Männer und nie Frauen sind, weiß doch jeder) keine Bücher weiblicher Autoren ins Regal stellen, ficken sie sich halt selbst ins Knie. Wer sich um Geld bringen will, soll das eben so machen. Freuen sich halt die Online-Shops, deren Auswertungen ja doch eher eindeutig sind.
  3. Im Feuilleton …
    Who the fuck cares? Das Feuilleton ist ein tradiertes Werkzeug der Verlagswelt. Als das Hochkonjunktur hatte, war JFK noch mit dem Schweinebuchtdebakel beschäftigt! Die meisten Leser (und Autoren) heute können das Wort nicht mal unfallfrei schreiben. Wozu auch? Braucht ja keiner mehr. Zumindest nicht, um sich über (neue) Bücher zu informieren. Diese Arbeit übernehmen mittlerweile Blogger, eine Seite wie Recensio sollte das allerdings wissen. Außerdem sollte einer solchen Seite bekannt sein, dass im Feuilleton überwiegend E-Literatur besprochen wird, der größte Teil des Buchmarktes jedoch aus U-Literatur besteht und die wurde erfahrungsgemäß nahezu nie dort besprochen. Und falls doch (E. L. James bspw.) wurde sie gnadenlos verrissen und dafür genutzt, um zu belegen, warum man solche Literatur nicht besprechen sollte. (Für meine Meinung dazu würde ich einen weiteren Rant-Blogpost benötigen, also lasse ich das hier einfach mal so stehen.)
  4. Nicht von Recensio erfasst, aber vor einiger Weile im Umlauf gewesen: Die deutschen Literaturpreise werden überwiegend an Männer vergeben. Ja, mag wohl so gewesen sein. Wer sich die Mühe machen möchte, kann das aber für das Jahr 2020 gern selbst auszählen. Ich gebe zu, dass ich nach 30 Preisen und einem leichten weiblichen Überhang keine Lust mehr hatte. Zur Übersicht geht es hier lang.

Zusammengefasst heißt das also, dass es keinerlei überprüfbaren Belege dafür gibt, dass Frauen in der Literatur benachteiligt sind, die überprüfbaren Zahlen vielmehr dafür sprechen, dass Frauen und Männer gleichermaßen am Buchmarkt beteiligt sind. Aus meinem eigenen Leben kann ich übrigens sagen, dass ich erheblich mehr erfolgreiche Autorinnen kenne als Autoren. Aber das ist lediglich eine subjektive Wahrnehmung, da ich in der Filterblase »Romance« zuhause bin. Im Bereich Thriller oder High Fantasy mag das anders aussehen.

Heißt das nun, dass es keinen Sexismus im Buchmarkt gibt?

Mitnichten. Sexismus gibt es überall dort, wo es Menschen gibt. Denn der Sexismus ist Teil unserer Kultur und wir werden noch lange brauchen, bis wir ihn losgeworden sind. Aber im Buchmarkt erleben wir eine Besonderheit: Er gilt in beide Richtungen.

Wer Romance schreiben will, muss ein weibliches Pseudonym wählen oder er riskiert Verkaufseinbußen. Wer Krimi oder Thriller schreiben will, sollte dies unter einem männlichen Pseudonym machen. Aus dem gleichen Grund. Nicht weil der Buchmarkt sexistisch, sondern die Lesererwartung entsprechend ist. Eben weil der Sexismus unserer Kultur immanent ist. Wir sind nun mal so sozialisiert worden, dass wir Frauen die Emotionalität zugestehen und Männern die Ratio. Das bessert sich zwar zunehmend, aber noch lange wird uns dieser Punkt begleiten. Und so kenne ich erfolgreiche Männer unter weiblichem Pseudonym und erfolgreiche Frauen unter männlichem. Offensichtlich sind die Geschlechter im Buchmarkt selbst im Sexismus gleichberechtigt.

Sie fragen sich immer noch, warum ich eingangs Gift und Galle gespuckt habe?

Weil Recensio etwas gemacht hat, was man nicht tut: Hier wurde eiskalt real existierender Sexismus in unserer Gesellschaft instrumentalisiert, um sich seine 5 Minuten Ruhm zu holen.

Ich bin mir verfickt sicher, dass ich meine Bücher nicht mit meiner Pussy schreibe. Genauso sicher wie bei dem Punkt, dass Männer ihre Bücher nicht mit dem Schwanz schreiben. Ich möchte mich nicht auf mein Geschlecht reduzieren, um dann trotzig zu behaupten, dass ich schreiben kann, während ein vages trotzdem in der Luft dem Hashtag einen bitteren Beigeschmack verpasst. Ich kann einfach schreiben. Unabhängig meiner primären Geschlechtsorgane und Geschlechtsidentität. Ich habe auch keine schlechteren Chancen, in einen Verlag zu kommen (die sind für alle gleich mies) oder als Indie auf dem Markt zu bestehen. Wenn ich gut bin, bin ich gut. Wenn nicht …

Ich muss nicht den Sexismus an seinen Haaren in den Buchmarkt ziehen, um ihn dann für mich und meine PR zu nutzen. Ich bin mir mehr wert, als dass ich mich so billig auf meine Pussy reduzieren lasse.

Schreibe einen Kommentar