Indie oder Verlag – Ochsenweg vs. Knochenjob

Wenn man Autor ist und sich in den entsprechenden Foren und Gruppen herumtreibt, taucht immer wieder die Frage danach auf, welcher Weg zu bevorzugen sei: Sollte man versuchen, bei einem Verlag unterzukommen oder ist der Weg ins Selfpublishing vorzuziehen?

Die Wahrheit ist: Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf diese Frage. Die Antwort kann – je nachdem, was Sie selbst können und/oder wollen – vollkommen unterschiedlich ausfallen. Aber fangen wir von vorne an.

Sie schreiben. Um es einfacher zu machen (und da ich mich im Bereich »Sachbuch« nur rudimentär auskenne), schreiben Sie Romane. Das kann alles mögliche sein. Aber auf jeden Fall wird es etwas sein, woran Ihr Herz hängt. Dann sind Sie (irgendwann) fertig mit dem Roman. Oder vielleicht sogar mehreren, das spielt letztlich keine Rolle. Aber jetzt stellen Sie fest, dass Sie Ihren Roman veröffentlichen wollen. Die Frage ist nur: Wie?

Der Ochsenweg

Der klassische Weg ist der, sich einen Verlag zu suchen. Dieser Weg wird oftmals als »Ochsenweg« bezeichnet und wenn Sie das Wörtchen mal googeln, werden Sie schnell merken, dass dieser Weg verflucht lang ist. Das ist richtig. Sie werden nicht nur einen Verlag anschreiben, sondern viele Verlage. Sie werden Absagen erhalten oder auch gar keine Antwort bekommen. Und Sie werden enttäuscht sein. Warum wollen die Verlage mich nicht? Es wird Momente geben, in denen Sie solche Ab- und Nichtssagen als persönlichen Affront empfinden werden. Das ist jedoch von den Verlagen nicht so gemeint. Also: Kopf hoch!

Verlage sind in erster Linie Wirtschaftsunternehmen. Ja, auch wenn sie mit einem »Kulturgut« hantieren, das auf vielerlei Wege durch den Staat subventioniert wird, weil es als »schützenswert« gilt. Aber: Verlage haben Miete, Nebenkosten, Personalkosten etc. Daher müssen Verlage eine genaue Auswahl treffen, von der sie aufgrund ihrer Erfahrung annehmen müssen, dass diese Manuskripte – denn das ist Ihr Buch zu diesem Zeitpunkt noch – wirtschaftlichen Erfolg bringen. Und das bedeutet: Nach Abzug aller Vorleistungen, die ein Verlag machen muss (Lektorat, Korrektorat, Design, Marketing etc.), muss Ihr Buch »Gewinn« generieren. (Randnotiz: Wenn Sie also einen Verlag gefunden haben, der Ihnen ein Garantiehonorar vorab zusichert, können Sie davon ausgehen, dass besagter Verlag davon überzeugt ist, mit Ihrem Buch Gewinn zu machen. Ja, dieser Moment ist exakt der, in dem Sie den Champagner aufmachen sollten.)

Verlage treffen daher eine sehr strikte Auswahl, die sich am Zeitgeist der Leser und auch der Programmlinie orientieren wird. Aus diesem Grund haben bspw. Lyriker unfassbar schlechte Chancen, verlegt zu werden. Denn die Wahrscheinlichkeit für einen Publikumsverlag, mit Lyrik Gewinn zu erzielen, ist zurzeit denkbar schlecht. Andersherum stehen die Chancen erheblich besser, mit Krimis, Thrillern und Romance Geld zu verdienen. Das macht die Lyrik (Sorry, Jungs und Mädels!) allerdings nicht schlechter im Sinne der Qualität der Werke. Es macht sie nur eben »schwer verkäuflich«, da es aktuell nur wenig Leser für diese Form der Literatur gibt. Und kein Verlag kann sich von »Abschreibeobjekten« finanzieren. (Randnotiz: Der Einfachheit halber habe ich an dieser Stelle pauschalisiert. Es gibt durchaus Verlage, die Lyrik veröffentlichen und auch für absolute Nischenliteratur offen sind.)

Aber auch wenn Ihr Manuskript sowohl in den Zeitgeist wie auch die Programmlinie des Verlags passt, ist das kein Garant dafür, genommen zu werden. Dann wird nämlich genauer hingeschaut: Stil, Aufbau etc. Sprich: Ein (im besten Fall) Lektor wird sich Ihren Roman (bzw. Exposé und Leseprobe) anschauen und entscheiden, ob es sich »lohnt«. Und das meint, dass hier – wieder ganz nüchtern wirtschaftlich betrachtet – geschaut wird, wie viel »Arbeit« Ihr Manuskript noch machen wird. Wenn also schon in Ihrem Exposé sowie der eingesandten Leseprobe zu erkennen ist, dass es formaltechnisch in eine Katastrophe ausarten könnte, die dazu führt, dass das Manuskript wenigstens sechs Monate weitergehende Bearbeitung erfordert, wird man sich stattdessen dafür entscheiden, ein Manuskript zu nehmen, das weniger »Nachbearbeitung« erfordert. (Randnotiz: Auch hier wieder eine pauschalisierte Darstellung, um komplexe Sachverhalte einfach zu erklären.)

Als ich noch im Verlag gearbeitet habe, hieß es, dass maximal 1% der eingesandten Manuskripte veröffentlicht wird. Ist schon mehr als zehn Jahre her, ob die Zahl heute so noch stimmt, weiß ich nicht, aber ich denke, dass sie gut vor Augen führt, wie gering die Chancen sind, gerade als Neu-Autor, einen Verlag zu finden. Aber … und das ist jetzt die gute Nachricht … es ist nicht unmöglich, wie auch immer wieder gezeigt wird. Wenn es also Ihr Herzenswunsch ist, Verlagsautor zu sein, dann bleiben Sie am Ball! Und nehmen Sie Absagen bitte nicht persönlich.

 

Der Knochenjob

Es gibt jedoch seit einigen Jahren auch den anderen Weg. Selfpublishing. Dieser meint, dass Sie ohne einen Verlag im Rücken Ihr Buch selbst auf den Markt bringen. Die entsprechenden Plattformen preisen diese Methode sehr niederschwellig an, wenn man sich die Hilfe-Seiten dort anschaut, merkt man zudem auch schnell, dass diese so verfasst sind, dass wirklich jeder damit sein Buch auf den Markt bringen kann.

Klingt im ersten Moment unfassbar toll, oder?

Aber wo das eine der »Ochsenweg« des Publizierens genannt wird, ist der andere schlichtweg ein »Knochenjob«. Als Selfpublisher sind Sie nämlich nicht mehr länger nur der Autor, der in regelmäßigen (oder auch weniger regelmäßigen) Abständen seine Tantieme ausgezahlt bekommt. Als Selfpublisher sind Sie Ihr eigener Verlag. Und damit geht dann auch ganz schnell die romantisierte Sicht auf den leicht weltfremden, bei Absinth allein in einer Bar sitzenden Autor (an dieser Stelle bitte zusätzlich auch Spitzwegs »Der arme Poet« in Gedanken einfügen) flöten. Dann sind Sie nämlich Unternehmer, etwas, das dem kreativ-schaffenden Geist diametral gegenübersteht. Der eine möchte nämlich einfach schreiben, der andere sagt Ihnen dann, dass Sie – sofern Sie Geld verdienen wollen und sich nicht einfach nur daran erfreuen, mal ein Buch veröffentlicht zu haben (was ich übrigens vollkommen legitim finde und mich darüber freue, dass das Selfpublishing genau diese Möglichkeit inzwischen bietet) –Ihr Schreiben marktwirtschaftlichen Erwägungen unterwerfen müssen. Sprich: Der Unternehmer in Ihnen übernimmt jetzt das, was im anderen Fall der Verlag für Sie täte. Heimvorteil also für Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung. (Ja, mein Humor ist wirklich rabenschwarz.)

Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich Ihnen dazu sagen, dass es sich empfiehlt, beide Teile nacheinander zu betrachten. Lassen Sie den Schreiber in sich schreiben. Und erst, wenn dieser fertig ist, bringen Sie den Unternehmer ins Spiel. Und der Unternehmer wird dann Ihr Manuskript anschauen und prüfen, ob das, was Sie da geschrieben haben, überhaupt marktfähig ist. Der wird sich dann also hinsetzen und Ihre Anforderungen – Ich will reich und berühmt werden! – mit dem aktuellen Zeitgeist der Leser abgleichen. Wenn Sie nicht gerade Krimi, Thriller oder Romance schreiben, werden Sie an dieser Stelle also das erste Mal einen Eimer Eiswasser auf Ihrem inneren Schreiber ausgeschüttet bekommen.

Meine Bitte an Sie: Bleiben Sie realistisch. Dann werden Sie auch weniger enttäuscht sein, wenn Sie feststellen, dass Ihr Roman nicht über Nacht die Top 100 stürmt. Sie werden leider nicht umgehend Ihren Job kündigen können, um fortan glücklich als gefeierter Autor zu leben. Aber – im Gegensatz zum »Ochsenweg« – können Sie Ihren Roman dennoch veröffentlichen. Denn Ihr Unternehmer wird Sie davon auch nicht abhalten. Warum sollte er auch? Das – ich nenne es jetzt mal einfach so – »Rohmaterial« ist vorhanden. Sie haben nichts (oder nur wenig) zu verlieren, wenn Sie diesen Weg beschreiten. Ihr Unternehmer wird Ihnen daher folgerichtig keine Standardabsage ins Postfach schippen.

Sie haben sich jetzt also vom Frostschaden durch Ihren inneren Unternehmer erholt und umgehend ist dieser damit beschäftigt, Sie mit weiteren Punkten auf seiner Checkliste zu drangsalieren: Plotlinie? Aufbau? Stil? Rechtschreibung? Grammatik? Coverdesign? Klappentext? eBook-Erstellung? Buchsatz und -druck? Vertriebswege? Vermarktung?

Natürlich können Sie an dieser Stelle Ihren inneren Unternehmer fesseln, knebeln und in einem Fluss Ihrer Wahl versenken. Es empfiehlt sich jedoch nicht. Ihr innerer Unternehmer meint es nämlich tatsächlich nur gut mit Ihnen. Denn er hat ein Interesse daran, Ihr Werk so markttauglich zu machen, dass es den höchsten Erfolg verspricht. Ganz, wie es der Verlag auch täte.

Denn: Alle Punkte, die Ihr Unternehmer dort aufgeführt hat, sind Gewerke, die üblicherweise im Verlag lägen, bzw. die der Verlag für Sie übernähme und entweder inhouse oder extern erledigen ließe.

Im Selfpublishing hingegen haben Sie jedoch die Wahl, ob Sie diese Gewerke selbst erledigen oder Sie abgeben. Doch auch hier gilt: Bleiben Sie realistisch. Und lassen Sie Ihren Unternehmer einen Blick auf den Markt dabei werfen.

Sind Sie wirklich gut genug, um ohne Lektorat und/oder Korrektorat Ihr Buch (gewinnbringend) auf den Markt zu werfen? Können Sie einen werblichen Text produzieren, der als Klappentext taugt? Können Sie selbst ein Cover erstellen, das mit jenen in dem von Ihnen angestrebten Genre mithalten und die Aufmerksamkeit der Leser auf sich ziehen kann? Sind Sie in der Lage, sich in die erforderliche Technik/Software einzuarbeiten, um eBook/Print zu erstellen? (u.a.m.)

Das sind alles Fragen, die Ihnen niemand pauschal beantworten kann. Niemand, außer Sie selbst, wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind.
Und während Sie also mit den Antworten ringen, sitzt Ihr innerer Unternehmer auf Ihrer Schulter und rechnet an der Vorkalkulation herum. Am Ende wird eine geschätzte (oder bereits angefragte) Summe X auf dem Papier stehen, mit der Sie in Vorleistung gehen müssen, um Ihr Buch in einer marktfähigen Form herauszubringen. Ganz so, wie das Rechnungswesen des Verlags es andernfalls täte. Und er wird Ihnen die Frage stellen, ob Sie wissen wer ROI ist und wann Sie sich mit ihm zuletzt auf ein Bier in der Kneipe getroffen haben.

An dieser Stelle reiche ich Ihnen schon mal vorsorglich das Taschentuch. Sie könnten es gebrauchen. Denn eine alte BWL-Weisheit sagt: Je höher die Investitionskosten, desto später der Break (even point). Und je kleiner Ihrer Zielgruppe, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Sie keinen Gewinn erzielen und Ihre schriftstellerische Tätigkeit beim Finanzamt als Liebhaberei verbuchen müssen. (Was den Vorteil hat, dass Sie keine Steuern darauf zahlen.)

Den meisten wird es so gehen, dass sie mit ihrem Erstling kein Geld verdienen, sondern nur das weite Feld der Verlustrechnung aufmachen werden. Aber … und das ist die gute Nachricht … damit ist die Geschichte noch nicht am Ende. Der »Knochenjob« fängt jetzt tatsächlich erst an. Denn jetzt werden Sie lernen, was eine Kosten-Nutzen-Analyse ist.

Sie haben Ihr erstes Buch also im Selfpublishing herausgebracht. Damit haben Sie nun einen Blick darauf, wie viel Sie mit einem Buch umsetzen können. Das ist unendlich viel Wert, denn darauf können Sie Ihre nächste Kalkulation aufbauen. Sie werden durch Ihren Erstling auch viel gelernt haben. Dinge nun anders angehen. Und im Zweifelsfall haben Sie Mittel und Wege gefunden, Ihre Investitionskosten zu senken. Super! Das ist ein unglaublicher Erfolg, den Sie da verbucht haben. Denn mit diesen Kennzahlen können Sie arbeiten.

Selfpublishing heißt, neben realistischen Betrachtungen und Einschätzungen der eigenen Möglichkeiten, unfassbar viel Fleißarbeit und die Gabe, als Autodidakt sich Fähigkeiten und Wissen anzueignen. Und sich auch aneignen zu wollen. Mit jedem neuen Buch werden Sie sich verbessern. In jedem Bereich. Und Sie werden lernen – und das wird eine Ihrer ersten Erkenntnisse sein – dass Sie regelmäßig neue Bücher produzieren müssen, um weiterhin am Markt zu bleiben und zur gewünschten Wirtschaftlichkeit zu gelangen. Die können Sie übrigens auch erreichen, wenn Sie niemals in der Top 100 mit Ihren Büchern auftauchen. Ja, da geht es dann um die Masse der veröffentlichten Bücher, die in Summe eine Wirtschaftlichkeit erzielen. Genauso, wie bei einem Verlag, der ebenfalls viele Bücher im Jahr produziert. Denn auch ein Verlag kann nicht von einem oder zwei Büchern im Jahr leben. Das ist hart für Ihren inneren Schreiberling, denn auch er wird bluten müssen, aber andersherum: Ihre Kosten werden immer geringer sein, als die eines Verlages. Sie haben keine Mitarbeiter, vermutlich auch keine Miete für Büroflächen etc. Nur diesen phänomenal gestiegenen Kostenfaktor »Kaffee« und eben jene Gewerke, von denen Sie entschieden haben, Sie nach außen abzugeben.

 

Wie Sie also sehen, haben beide Wege ihre Vor- aber auch Nachteile. Es gibt nicht den Königsweg und ein Selfpublisher ist weder besser noch schlechter als ein Verlagsautor. Es sind schlichtweg unterschiedliche Herangehensweisen an das gleiche Thema: Bücher (erfolgreich) veröffentlichen.
Vielleicht kann oder will der eine oder andere nicht für sich selbst als Unternehmer agieren. Vielleicht ist es für einen anderen genau das, was ihn reizt. Vielleicht reicht es Ihnen auch vollkommen aus, dass Sie ein Buch veröffentlicht haben, und die Einnahmen sind für Sie unerheblich, weil es lediglich um Ihren Spaß geht und Sie es als Hobby betrachten. Auch das ist legitim. Der Markt (bzw. die Leserschaft) reguliert selbst,  was Erfolg bringt und was nicht. Es wird immer professionelle und weniger professionelle Bücher geben. Das gilt übrigens auch für Verlagsbücher. Verlag ist nämlich auch nicht immer gleich Verlag.
Am Ende bleibt bestehen, dass Sie sich für den Weg entscheiden, der Ihnen am meisten liegt. Auf beiden Wegen können Sie sowohl gewinnen als auch scheitern. Denn letztlich ist es der Markt, der über Ihr Wohl und Wehe entscheidet. Auch ein Verlag kann bei seiner Manuskripteinschätzung daneben liegen und sich einen großen Erfolg versprechen, um am Ende sagen zu müssen, dass Projekt X nur für die Verlustrechnung taugt. Oder andersherum: Er kann ein Manuskript ablehnen, das sich am Ende unfassbar gut verkauft. Das ist das normale unternehmerische Risiko.

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