Ehrlich, es gibt ja Themen, bei denen ich mich jedesmal fühle wie ein Hund Pawlows. Und das Glöckchen hat geklingelt. Laut.
Eine Freundin und Kollegin hat mich auf einen Beitrag in einer deutschen Autoren-Gruppe aufmerksam gemacht, in dem die Frage gestellt wurde, was »Dark Romance« eigentlich sei. Ja, okay. Keine neue Frage und theoretisch kann man dazu auch googeln. Nur leider ist das Internet groß und so niederschwellig, dass viele Leute sehr viele Meinungen an der Stelle haben. Und was soll ich sagen? Die meisten haben nicht nur eine Meinung, sondern auch ganz spannende Gründe, wie sie dazu kommen.
Dann liest man, dass Poe ein Vertreter der »Dark Romance« sei. Oder dass es dabei um Millionäre ginge, die ihre Freundin verdreschen. Oder so eine Pubertätskrise, vergeht also auch wieder.
Und die Begründung ist in aller Regel, dass die arme gebeutelte Hausfrau, die nur 8-Sekunden-Sex hat zuhause, das zur Triebbefriedigung braucht.
Himmelherrschaftsgottnochemal! Wer hat denn diese verfickte Dreckskackscheiße in die Welt gesetzt?
Der arme Poe weint vermutlich immer noch um diese phänomenale Fehleinschätzung seiner phantastischen Schauerliteratur. Ich bin mir auch sehr sicher, dass Vertreter der (deutschen!) dunklen oder schwarzen Romantik, wie der unfassbar grandiose Ludwig Tieck, wenigstens einen halben Herzinfarkt hätten, wären sie noch am Leben und würden das miterleben müssen.
Ich muss euch ein Geheimnis verraten: »Dark Romance« ist ein feststehender Begriff. Und nein, der kann definitiv nicht mit »dunkler Romantik« und damit einem anderen Fachbegriff übersetzt werden. Beide haben ihre eigene Definition und Inhalte. Wer mir nicht glaubt: Einfach mal Bücher beider Genre nehmen, lesen und sich überzeugen lassen.
»Dark Romance« ist in erster Linie »Romance«, also eine Geschichte mit Happy End und noch ein paar anderen Merkmalen. Aber das hatte ich ja bereits in einem anderen Beitrag ausgeführt. Jetzt geht es um das »Dark« davor, das besagt, dass es ein Subgenre der Romance ist. Und die hat – wie jedes andere Romance-Subgenre auch – eigene Merkmale.
Das »Dark« stammt ursprünglich aus dem Bereich Fantasy, um genau zu sein aus der »Dark Fantasy«. Dort wurde der Begriff genutzt, um Fantasy zu markieren, die – bitte hier einen Trommelwirbel einfügen – düster ist und düstere Themen behandelt. Also keine Glitzervampire, sondern die, die einem vorzugsweise die Carotis punktieren und sich an der Fontäne erfreuen. Ganz salopp ausgedrückt. Das gesamte Setting ist entsprechend düster gehalten und baut auf Angst und Horrorelemente.
Romance hat das »Dark« dann – wie jedes andere Genre eigentlich – auch irgendwann für sich entdeckt und auf seine eigene Gattung übertragen. Die Romance, die daraus entstand, war vom Grundsetting her entsprechend düster und weniger cozy, als das Gros der Romance. Aber es war nicht zwingend Fantasy enthalten, denn darum ging es so erstmal nicht. Es ging darum, dass Romane dieser Art freier sind und sich über die üblichen Erwartungshaltungen der Leser hinwegsetzen.
Düster kann aber dabei eine Menge bedeuten. Das kann ein Vampir sein, wie oben beschrieben, der plötzlich der Protagonist ist, was in jeder anderen Romance undenkbar wäre. Das kann ein Auftragskiller sein. Oder ein Mafiaboss. Aber … man höre und staune … Dark Romance gibt es auch mit Cops. Ja, mit den guten Jungs! Kein Scheiß!
Wie das funktioniert? Indem die Romance das Dark gebeugt hat zu einem »Hier tun die Protagonisten auch moralisch nicht einwandfreie Dinge.« Und dabei wird das Feld einfach riesig. Der Cop kann die Herzensdame erpressen. Oder er kann seinen Kontrahenten erschießen aus Rache. Etwas, das er in einer anderen Romance nur schwer könnte.
Das Beste dabei: Dark Romance benötigt keine Läuterung des Protganisten. Er darf auch nach dem Happy End also fröhlich weiter als Auftragskiller arbeiten.
Und schon sind sowohl »Fifty Shades of Grey«, aber auch »Blood Submission« Dark. Während das eine obendrein auch Millionaire Romance ist und das andere Paranormal Romance.
Also genau gesagt: »SoG« wäre Dark Millionaire Romance (oder Billionaire? Ich hab den Überblick verloren) und »Blood Submission« Dark Paranormal Romance.
Oder meine eigenen „The Darker Stories“, die jeweils in unterschiedlichen Settings und auch mit unterschiedlichem Anteil an Erotik allesamt Dark Romances sind.
Die Liste lässt sich beliebig verlängern, allerdings wird deutlich, dass Dark allein selten auftaucht. Weil dann nämlich kein Hinweis auf das Setting selbst geliefert wird. Ist es ein Mafia Setting? Oder Biker? Oder Shifter? Oder Vampire? Oder vielleicht sogar Historical? Möglich ist vieles, wenn nicht gar alles. Halt! Nein. Ich glaube, Dark Cozy oder Dark Christian Romance wird schwierig. (Oder albern, man weiß es nicht genau.)
Nein, BDSM oder ein erhöhter Anteil an Erotik sind keine Bedingung für das Subgenre. Allerdings ist es aktuell Mode, es so zu halten. Und da sich Dark Romance zurzeit so fantastisch verkauft, vorrangig die, in der es kriminell wird, wird es gleich direkt auf das Cover geschrieben, damit der Leser es auch ja mitbekommt. Aber da viele Autoren selbst noch glauben, dass es was mit schwarzer Romantik zu tun hat, muss ich gelten lassen, dass nicht in jedem Buch, auf dem Dark drauf steht, auch Dark drin ist.
Dark sells! Ist doch einfach. Oder nicht?