Oder: Warum Wissenschaft nicht medienwirksam ist.
Vorweg: Ich bin keine Naturwissenschaftlerin. Ich habe keine Ahnung von Viren, sofern sie mich nicht selbst befallen und ich sie in den buntesten Farben verfluche. Aber irgendwie bin ich eben doch Wissenschaftlerin. Geisteswissenschaftlerin. Neben Literatur gehörten im Studium Kommunikation sowie Politik und mediale Vermittlung zu meinen Kerngebieten. Und Geschichte des Mittelalters, aber das ist eine andere Geschichte.
Vielleicht hätte ich diese Zeilen früher schreiben sollen. Vielleicht hätte ich sie nie schreiben sollen. Was richtig und was falsch ist, weiß man immer erst zum Schluss. Wenn der Schiri das Spiel abgepfiffen hat. Aber auf die Fußball-Allegorie werde ich später noch zurückkommen.
In meinem Studium habe ich viel gelernt. Eines davon – vielleicht sogar das Wichtigste – ist es, die Dinge zu hinterfragen, kritisch zu beleuchten und zu versuchen, die Zusammenhänge zu erfassen, denn was auf den ersten Blick einfach aussieht, ist es oftmals gar nicht. (An dieser Stelle meinen Dank an meine Geschichts-Profs. Die Lektion habt ihr mich gelehrt.) Die wenigsten Dinge geben sich mit nur einer einzigen Ebene zufrieden. Die meisten haben mehr. Viel mehr sogar.
Das gilt übrigens nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für ganz aktuelle Dinge. Eigentlich für alles. Hallo? Selbst Klopapier besteht aus wenigstens drei Lagen. (Wehe dem, der das zweilagige erfunden und an öffentliche Einrichtungen verkauft hat!)
Aber warum schreibe ich das nun?
Weil mich – wie wohl jeden von uns – die seit zwei Jahren anhaltende Lage beschäftigt. Nein, ich will nicht klagen. Ich bin gut dabei weggekommen. Sehr gut, um genau zu sein. Ich bin nie direkt mit Corona in Kontakt gekommen, niemand aus meinem Umfeld ist an/durch/mit dieser Erkrankung gestorben.
Doch in meinem persönlichen Umfeld gab es durchaus Menschen, die ich durch Corona verloren habe. Oder vielmehr deren Verständnis und die davon abhängende Einstellung zu einigen Vorgängen in der Gesellschaft haben dazu geführt, dass ich mich von ihnen gelöst habe. Ich wollte mich damit nicht mehr auseinander setzen. Es hat mich zu sehr belastet, ihnen zuzuhören.
Gedanken habe ich mir trotzdem gemacht, wie es dazu kommen konnte. Wie es passieren konnte, dass es einen nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft dazu gebracht hat, auf eine Weise zu reagieren, die man inzwischen »Trotzreaktion« nennt. Und ich habe versucht, den Prozess, der dahin geführt hat, zu visualisieren. Ich bin Schriftstellerin. Ich lebe von solchen Bildern. Ich kann gar nicht anders.
Wissenschaftliches Arbeiten und der dazu gehörende Diskurs ist etwas, das für mich, die ich selbst ein abgeschlossenes Hochschulstudium mitbringe, vollkommen normal ist. Für mich war es daher nicht sonderlich überraschend, dass mit Ausbruch der Pandemie in Deutschland jeden Tag neue Thesen seitens der Wissenschaftler dazu aufgebracht und nicht selten bereits am nächsten Tag wieder verworfen wurden. Das gehört dazu. Wissenschaft bedeutet Analyse der Datenlage, Diskussion, Thesenbildung, erneute Überprüfung, Veri- oder Falsifikation und wieder von vorn, sobald die Datenlage sich ändert.
Was mir jedoch im ersten Anlauf überhaupt nicht bewusst war, dass das nicht für jeden Menschen selbstverständlich ist. Versteht mich nicht falsch: Das bedeutet nicht, dass ich diesen Menschen weniger Intellekt unterstelle. Ich sage lediglich, dass so etwas nicht deren gewohnter Ablauf ist. Als Beispiel: Wenn ein Maler Raum X sieht und dafür einen Kostenvoranschlag machen soll, kann er sich (hoffentlich) darauf verlassen, dass am nächsten Tag der Raum nicht komplett anders aussieht. Und den Tag darauf wieder anders. Die Datenbasis aufgrund derer er das Angebot schreibt, ändert sich nicht. Sie ist verlässlich. Weniger verlässlich sind hingegen Verbrauchsmaterialien und ihre Kosten. Aber das ist kalkulierbar, weshalb ein Angebot nur eine gewisse Gültigkeitsdauer hat. Soweit so gut. Wissenschaft kann sich darauf aber nicht verlassen. Sie muss damit rechnen, dass am nächsten Tag die komplette Datenlage futsch ist, weil die Ratte Blähungen bekommen hat oder einfach tot umfiel.
Kommen wir jetzt zum Bild, das ich in meinem Kopf gezeichnet habe, um mir die zurückliegenden zwei Jahre plastisch zu machen. (Und jetzt hoffentlich auch anderen.)
Stellen wir uns eine Ebene vor. Eine nette Wiese. In der Mitte ein großer Hügel, der so wirklich keinen Sinn ergibt, der aber irgendwie schon immer da war. Auf diesem Hügel spielen Kinder. Bei ihrem Spiel löst sich ein Teil des Erdreichs und etwas kommt darunter zum Vorschein. Das eine Kind ist das Kind eines Archäologen. Es rennt also nach Hause und erzählt Papa ganz begeistert, was passiert ist.
Papa wird stutzig. Und neugierig. Er ruft seine beiden Kumpel an, von denen der eine Historiker und der andere ebenfalls Archäologe ist, und lädt sie auf ein Bier ein. Aus dem einen Bier wird der ganze Kasten, während sie darüber diskutieren, was es mit dem freigelegten »Ding«, denn Genaueres wissen sie ja noch gar nicht, auf sich haben könnte. Könnte Siggis Hundehütte sein. Aber auch eventuell Erwins Gartenlaube. Der Historiker steuert sein Wissen aus seinem Fachgebiet ein, die beiden Archäologen rennen nach dem dritten Bier zum Hügel und schauen sich an, woraus das »Ding« besteht. Am Ende ist das Bier alle und in puncto Hundehütte/Gartenlaube steht es unentschieden.
Deswegen fangen sie – da sie gerade alle Urlaub haben und keiner von ihnen den Gartenzaun streichen möchte – an zu graben. Mit dem Werkzeug der Archäologen aus der Arbeit legen sie die oberste Schicht frei, finden ein paar Fragmente von Tonkrügen, Schalen und allem möglichen, was man bei so einer Ausgrabung halt so findet.
Am Abend setzen sie sich erneut zusammen und diskutieren, was sie den Tag über so entdeckt haben. Sie datieren die Überreste, wie man die Tonscherben nennt, ordnen die darauf erkennbaren Malereien einer konkreteren Epoche sowie sozialen Schicht zu … Nach der halben Kiste steht fest: Hundehütte ist es schon mal nicht. Bleibt noch die Gartenlaube. Und der Historiker, der noch mal in seinen Büchern gekramt hat, kommt zu dem Schluss, dass es sich auch um das Einfamilienhaus von Hiltrud der Jüngeren handeln könnte. Zumindest würden die Tonscherben selbigen Verdacht zulassen.
Es entsteht also These 2: Gartenlaube/Hiltruds Haus, mit der die Freunde am nächsten Tag sich erneut an die Arbeit machen.
Am nächsten Abend wiederholt sich das Spiel. Nachdem sie aber nun noch eine weitere Mauer gefunden haben, sind sie für einen Moment ratlos, denn es ist offensichtlich, dass es sich weder um Hiltruds Haus noch um die verfluchte Gartenlaube handelt. Aber irgendwas muss es sein, also machen sie weiter. So geht das hin und her. Ausgraben, Entdeckungen zusammentragen, Bier kaufen, diskutieren … bis der Frau des ersten Archäologen der Kragen platzt und sie die Freunde rauswirft, weil sie genug von drei bis in die Nacht lautstark diskutierenden Männern hat, die das Kind vom Schlafen abhalten.
Die allabendliche Diskussion braucht also eine neue Zentrale: die Dorfschänke. Der Ort ist gemütlich, der Zapfhahn voll für unsere trinkfesten Kollegen und die Stimmung heiter. Das Problem ist nur: Sie sind dort nicht allein. Mit ihnen finden sich dort Abend für Abend viele andere Menschen ein und die sind sehr interessiert an dem, was die Männer diskutieren, haben doch alle mitbekommen, dass auf der ollen Wiese irgendwas ausgebuddelt wird. Und jeder hat so seine Ideen. Von Bombe aus dem Weltkrieg, Jagdschloss des Heiligen Patrick … die Stimmung wird immer aufgeheizter, die Thesen wilder und sind sehr schnell weit von dem entfernt, was die drei Freunde so diskutieren, nach wie vor die Einzigen, die an den täglichen Ausgrabungen beteiligt sind.
Der Punkt ist, dass plötzlich die Diskussion unter Fachleuten im öffentlichen Raum stattfindet und Menschen mithören und miteinander darüber reden, die nicht das erforderliche Wissen und auch Methoden mitbringen, um Dinge, die sie selbst nie gesehen haben, sondern nur von gehört, richtig zu bewerten und in ihren (historischen) Kontext einzuordnen.
Neben der Fachdiskussion und der dortigen Thesenbildung entsteht also eine weitere Diskussion: die Laiendiskussion. Und die ist in etwa das, was wir bei jeder Bundesliga auch kennen: Plötzlich gibt es locker 50 Millionen Fußballtrainer und alle wissen besser als der tatsächliche Trainer, warum die jeweils präferierte Mannschaft so elendig versagt.
Ich denke, es ist nicht verwunderlich, wenn ich nun sage, dass diese Laientrainer nur bedingt wissen, was los ist. Genauso wie die diskutierenden Laien in unserem Dorf. Auch die sind bei ihren Überlegungen meilenweit entfernt von dem, was unter den Fachleuten stattfindet. Sie haben ein eigenes Interesse, diese Diskussion zu führen: die natürliche Neugier des Menschen sowie ihre eigenen Sorgen und Ängste. Beides wird sich im weiteren Verlauf noch als folgenschwer herausstellen. Aber vorerst zurück zu unseren drei Freunden:
Anfangs freuen die Fachleute sich über die Aufmerksamkeit im Dorf, denn nur selten steht ihre Arbeit so im Fokus der Öffentlichkeit. Sie geben daher gern Auskunft, bis sie merken, dass sie nicht verstanden werden. Denn ihnen fehlt etwas: Die Gabe, ihr Wissen an Laien weiterzugeben, sind sie es doch gewohnt, nur mit anderen Fachleuten zu diskutieren, bei denen sie davon ausgehen können, dass sie über das gleiche Hintergrundwissen, Werkzeuge und Methoden verfügen wie sie. Und schon redet man aneinander vorbei und auf beiden Seiten entsteht nicht nur Ratlosigkeit, sondern auch so etwas wie Verzweiflung, weil man nicht vom anderen verstanden wird.
Und dann sitzt da noch jemand im Schankraum. Nennen wir ihn Julian R. Julian ist der Besitzer der Lokalzeitung, die er mit viel Eifer und Leidenschaft am Leben erhält, und sich deshalb darum bemüht, stets das abzudrucken, wovon er überzeugt ist, dass die Menschen es interessiert.
Das ist leider in den seltensten Fällen das trockene Zeug, das die Wissenschaftler so ausspucken. Was soll er mit vagen Thesen auch anfangen? Damit holt man niemanden hinterm Ofen vor, um seine Zeitung zu kaufen. Aber er braucht ja die Verkäufe, denn wie will er sonst sein Einkommen finanzieren und verhindern, dass er an das nächste Käseblatt verkaufen muss? Also hört er den Leuten zu. Und die Leute bekommen zunehmend Angst, denn sie haben das Gefühl, von den Fachleuten Abend für Abend verschaukelt zu werden, die sich aufs nichts festnageln lassen wollen und immer nur »Wir brauchen mehr Daten!« faseln. Die Leute wollen Antworten. Denn Antworten geben Sicherheit. Und Julian möchte ihnen Antworten geben, wenigstens aber das Gefühl, verstanden zu werden. Und so landet plötzlich auf Seite 1 die Schlagzeile: »Wie lange wollen wir noch tatenlos zusehen?«
Die Dorfbevölkerung nickt, denn sie fühlt sich verstanden. Wurde sie ja auch. Aber mit dem, was auf dem mittlerweile halb abgetragenen Hügel passiert, hat das schon nichts mehr zu tun.
In den nachfolgenden Tagen kippt die Stimmung in der Dorfschänke und unsere drei Freunde vom Hügel fühlen sich mehr und mehr unwohl in Gegenwart der übrigen Dorfbewohner, die plötzlich nicht mehr neugierig, sondern abfällig in ihre Richtung schielen.
Haben sie etwas falsch gemacht? Sie tun doch nichts Böses? Sie wollen doch eigentlich etwas Gutes für ihr Dorf, denn sie haben die Vermutung, dass es ein bedeutender Fund sein könnte, den sie dort gerade ausgraben. Deswegen haben sie sich auch an ihre Universität gewandt und Forschungsgelder beantragt, damit sie weiter graben können. Prof. Dr. Watanabe, Leiter der archäologischen Fakultät wollte sich deshalb mit einem Untersuchungsausschuss in den kommenden Tagen die Ausgrabungsstelle auch anschauen.
Aber das interessiert das Dorf nicht mehr, denn inzwischen ist man einhellig der Meinung, dass die drei Freunde etwas tun, das dem Dorf schaden wird. Denn wenn sie dort etwas Wichtiges ausgraben, werden Städter kommen und vielleicht eine Sehenswürdigkeit daraus bauen. Dann würden Touristen kommen und Souvenirshops und es wäre vorbei mit der Ruhe und dem Frieden in ihrem Dorfidyll.
Und plötzlich steht in der Zeitung zu lesen: »Wiesenbesitzer verkauft Grund und Boden an ausländischen Investor.«
Das Geschrei ist groß, denn niemand möchte den Rummel erleben, wenn hier plötzlich irgendwas von einem großen Konzern gebaut wird. Was soll das überhaupt sein? Ein Hotel?
Die Stimmung in der Dorfschänke ist inzwischen so dermaßen aufgeladen, dass die drei Freunde übrigens glücklich sind, dass sie neuerdings ihre abendlichen Diskussionen an der Uni weiterführen können, denn die Gelder wurden nach eingehender Begehung der Ausgrabungsstätte bewilligt. Sie dürfen sogar studentische Hilfskräfte mit den Grabungen beauftragen, die bei den drei nicht mehr ganz taufrischen Akademikern inzwischen auch ziemlich auf den Rücken gegangen sind.
Eine Woche später liest man in der Zeitung dann: »Was geschieht auf dem Hügel unseres geliebten Dorfes?«
Darunter ein Bild von mehreren jungen Frauen und Männern in Arbeitskleidung, die emsig mit Spaten, Schaufel und Pinsel den Boden bearbeiten, während andere ein Zelt aufbauen und so die Entdeckungen vor der Öffentlichkeit verbergen.
Ich könnte den Faden jetzt noch ewig so weiterspinnen, aber ich glaube, die Dynamik dessen, was da passiert, ist deutlich geworden: Die Fachleute sind viel zu weit weg, um vermitteln zu können, was sie tun. Sie sind es gewohnt, in Thesen zu denken und sich nicht auf einfache Aussagen festnageln zu lassen. Die Dorfbewohner hingegen können damit nichts anfangen, sie wollen Klarheit, denn ohne diese werden sie unsicher und machen sich ihre eigenen Gedanken. Die Zeitung hingegen wird zum Sprachrohr jener Unsicherheiten, die innerhalb der Dorfbewohner umgehen, und wird (ungewollt) zu deren Brandbeschleuniger. Denn sobald es in der Zeitung steht, bestärkt es die Dorfbewohner nur in ihrem Denken. Denn, was in der Zeitung steht, ist wahr. Oder nicht? So dreht sich die Spirale und am Ende geht es gar nicht mehr um das, was tatsächlich auf diesem Hügel passiert, unter dem sich vielleicht sogar das Bernsteinzimmer befunden hätte, sondern um das, was das aneinander vorbeireden dieser Menschen miteinander macht.
Genau diese Dynamik ist auch in der Pandemie entstanden. Noch nie hat der wissenschaftliche Diskurs so in der breiten Öffentlichkeit gestanden, wie es in den zurückliegenden beiden Jahren der Fall war. Einerseits gut, denn so konnten auch Laien Einblick in das bekommen, was man wissenschaftliches Arbeiten nennt. Andererseits aber auch schlecht, denn es hat eine Menge Unsicherheiten erzeugt, aufgrund der sich anfangs nahezu täglich verändernden Datenlage. Wer Einblick in Wissenschaft gewähren möchte, muss berücksichtigen, dass Laien nicht mit jenen Methoden vertraut sind, die in der Wissenschaft als Standard gelten. Es bedarf daher nicht nur den eben erwähnten Einblick, sondern auch das Vermitteln der dazu gehörenden Methoden.
Wenn die drei Freunde erklärt hätten, wie sie vorgehen, wäre das alles vielleicht nie passiert. Dann hätten sie die Leute da abholen können, wo sie stehen. (Oder sie wären in der zugegeben sehr langweiligen Vorlesung schlicht eingeschlafen und hätten das Interesse verloren.)
In unserer Realität geht es aber nicht um einen dämlichen Hügel, sondern um eine schwere Erkrankung, die – wie der Hügel auch – noch nicht vollständig erforscht ist und deren Datenlage sich ändert, sobald die Forschung etwas weiter kommt. Oder um es im Sinnbild des Hügels zu sagen: sobald unsere drei Freunde eine weitere Schicht des Berges abgetragen und die darin enthaltenen Überreste freigelegt haben. Natürlich schafft es Unsicherheiten, wenn dann am einen Tag X und am nächsten Tag Y vor laufender Kamera erzählt wird. Für die Forscher logisch, die Datenlage hat sich ja geändert, aber für den Laien? Der weiß sehr schnell schon nicht mehr, was er denn nun glauben soll und schaltet im schlimmsten Fall einfach ab. Aber das ändert nichts daran, dass er unmittelbar von der Krankheit betroffen ist und mit ihren Auswirkungen zu leben hat. Auswirkungen, die er nicht mehr versteht, denn in seinen Augen ist das, was der Staat nun macht, blinde Hysterie, indem er sich auf die Aussagen von Wissenschaftlern beruft, die ja doch jeden Tag was anderes erzählen.
Warum soll er sich nicht für dumm verkauft fühlen, wenn er den einen Tag liest, dass Masken überflüssig sind, am nächsten jedoch eine Maskenpflicht beschlossen wird?
Und somit wird er trotzig. Er will nicht mehr verstehen, was nicht mehr zu verstehen ist aus seiner Perspektive. Denn er kann nicht sehen, dass die erste Aussage zu Masken getätigt wurde, weil man 1. davon ausging, dass er als Laie nicht imstande wäre, korrekt mit den Masken umzugehen (was sich ja dann auch bestätigt hat) und 2. sich zu dem Zeitpunkt bereits ein Lieferengpass mit Masken abzeichnete und man hatte verhindern wollen, dass medizinische Einrichtungen nicht mehr damit würden beliefert werden können (was tatsächlich eingetreten ist, zusätzlich zu dem Umstand, dass die Krankenhäuser teilweise beklaut wurden aus lauter Angst in der Bevölkerung).
Ist es wirklich so unverständlich, dass ein Mensch, der nicht dort abgeholt wurde, wo er nun mal steht, also außerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses, dafür aber randvoll mit seinen eigenen Sorgen, Ängsten und Problemen ist, dann dicht macht?
Das ist übrigens die Stelle, an der ich unbequem werde und eine ganz böse These in den Raum stelle:
Impfskeptiker, -verweigerer, Coronaleugner und Querdenker sind das Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft versagt haben. Dass Staat und Medien versagt haben, denn wir haben nicht die richtige Sprache gefunden, um all jene abzuholen, die sich in ihren Ängsten und Verunsicherungen an jene gewandt haben, die einfache Lösungen für komplexe Probleme geboten haben. Mit unserer eigenen selbstgerechten Muss-man-wissen-Mentalität haben wir jene ausgegrenzt, die nicht verstehen konnten, was so ungefiltert auf uns alle einstürmte.
Wir haben diese Menschen den Demagogen mit ihren Telegram-Gruppen und YouTube-Kanälen überlassen. Natürlich können wir diese Menschen jetzt mit einer Impfpflicht oder erhöhtem Druck durch gesellschaftlichen Ausschluss und Stigmatisierung dazu zwingen, klein bei zu geben. Damit würden wir das akute Problem lösen und uns leichter durch diese vierte Welle bringen. Aber würde uns das nicht nur noch weiter spalten? Sind die Gräben nicht schon tief genug in diesem Land?
Wahre und bewegende Worte, die die aktuelle Situation aber anschaulich darstellt