Ich habe ein Buch gelesen! Ja, klingt jetzt gar nicht so besonders, aber tatsächlich kommt man als Schriftsteller nicht mal halb so oft zum Lesen, wie man es gern hätte. Und um ehrlich zu sein, habe ich nicht nur ein Buch gelesen, sondern gleich ein ganzes Dutzend. Die sind zwar allesamt recht kurz, ergeben zusammengenommen aber eine einzige große Geschichte.
Worum es ging? Um Alice. Nein, nicht die aus dem Wunderland. Oder vielleicht doch? Denn irgendwie stolpert auch die Alice aus der Geschichte in ein Kaninchenloch und landet in einem Wunderland. Einem, das sie schon seit geraumer Weile wie ein Zuschauer vom Logenplatz im Theater aus beobachtet. Immer nur am Rand, nie mittendrin.
Einige von euch ahnen vermutlich schon, um welche Geschichte es geht. Denn wahrscheinlich sind mal wieder alle schneller als ich und haben es schon längst gelesen. Es geht um Alices Geschichte, die in Margaux Navaras Serie »Hunters Liste« erzählt wird.
Alice ist eine ganz normale junge Frau in ihren Zwanzigern. Sie hat studiert, sie hat einen Job. Und sie hat geerbt. Eine Villa und viel, viel Geld. Aber an dem Erbe hängen Bedingungen. So soll sie einen Plan vorlegen, der genau erklärt, was sie mit der Villa anzustellen gedenkt. Dafür hat sie zwölf Monate Zeit. Schafft sie das nicht, geht das gesamte Erbe an eine gemeinnützige Einrichtung.
Und damit fängt der Schlamassel an, denn Alice hat ein Problem: Ihr fehlt die nötige Konsequenz, um die Dinge zu Ende zu bringen. Sie nimmt Umwege, bricht vieles ab und kann sich nur schwer für etwas entscheiden. So auch in ihrem Privatleben. So findet sie BDSM zwar spannend, aber weiter als bis zur Zuschauerin hat sie es noch nicht geschafft. Dabei ist sie allerdings gründlich. So verbringt sie ihre Wochenenden regelmäßig in einem kleinen Privatclub für BDSMer und drückt sich – wie man so schön sagt – die Nase am Schaufenster platt.
Bis sie Hunter begegnet. Dieser Mann, den sie schon zuvor in dem Club gesehen hat, der sie zwar einschüchtert, aber irgendwie auch reizt, was sie jedoch nie zugeben würde. Und genau dieser Hunter macht ihr einen Vorschlag: eine Liste, zwölf Kinks. Für jeden Monat einen Kink also, den sie sich genauer anschauen … nein, nicht anschauen, sondern erfahren kann, um herauszufinden, ob diese Spielart des BDSM ihr liegt.
Denn eigentlich will sie noch viel mehr, als nur für sich selbst herausfinden, was ihr Reiz am BDSM ist. Da ist ja noch diese vage Idee, aus ihrem Erbe, also der Villa, einen Club zu machen. Einen Ort für BDSMer und Kinkster, an dem sie sich frei ausleben dürfen. An dem sie sein können, wie sie es brauchen. Aber auch dafür muss sie mehr können, als nur Räume einzurichten und ein solches Geschäft zu leiten. Sie muss wissen, was sie im Rahmen dieses Clubs anbieten will. Auf was sie dabei verzichten kann, was sie unbedingt anbieten muss. Und was sie selbst dort eigentlich haben will.
Hunters Liste entführt die so unentschlossene Alice in jenes Wunderland, das sie zuvor lediglich hinter schützendem Glas bewundert hat. Angezogen und abgestoßen im gleichen Atemzug. Und sie nimmt den Leser mit, als sie ihre ersten Schritte in die sehr bunte und alles andere als humorlose und bierernste Welt des BDSM unternimmt, dabei stets unter der Leitung von Hunter, diesem undurchsichtigen Mann, den sie nicht wirklich einschätzen kann, von dem sie sich jedoch mehr und mehr angezogen fühlt.
Aber was hat eigentlich Hunter davon, wenn sie der Reihe nach die diversen Kinks erkundet? So recht mag sie seiner vermeintlichen Selbstlosigkeit nicht trauen. Dennoch macht sie weiter, getrieben von dem Wunsch, mehr zu erfahren. Über BDSM, ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen und über sich selbst. Dabei ist sie nur all zu bereit, die zunehmenden Streitigkeiten mit ihrer Mutter um das Erbe zu ignorieren, die den tiefen Riss in ihrer Beziehung zu dieser Frau immer weiter offenlegen. Sie ignoriert das Problem so lange, bis es fast zu spät ist.
Mit dieser Geschichte ist Margaux (Hey, Süße! *winkt heftig) ein Geniestreich gelungen, denn … Bücher über BDSM gibt es viele. Sie möchten einen Überblick geben, Möglichkeiten aber auch Grenzen des BDSM aufzeigen. Sie möchten für gewisse Reize und Risiken diverser Praktiken sensibilisieren. Aber mir ist kein Buch bekannt, welches das in Romanform tut und sich dabei so gezielt an Neugierige und Anfänger richtet.
Ich bin selbst weder Neugierige noch Anfängerin, dennoch habe ich jeden einzelnen Band gefeiert. Weil Margaux auf so herrlich unkomplizierte und einfühlsame Weise Alice (und damit auch den Leser) an die Hand nimmt und mit dem jeweiligen Kink vertraut macht. Nicht immer war ich mit der Sichtweise dabei einverstanden und ab und an fremdelte ich sogar. Aber auch das ist wichtig. Denn keine Sub ist wie die andere. Jeder Mensch nimmt auf seine Weise wahr. Und wenn Alice etwas so und so empfindet, bedeutet das nicht, dass ich das ebenso empfinden muss. Vielleicht sind wir Subs, aber auch »Sub« ist keine One-fits-all-Schablone. (Ja, das ist der Wink mit dem kompletten Gartenzaun in Richtung der schwarzes-Handbuch-des-BDSM-Besitzer. *smile)
Die Bücher haben mir gut getan. Sie haben mich noch mal an meine Anfänge erinnert, an die guten Dinge, aber auch die schlechten. Denn Margaux geht nicht mit dem Weichzeichner über das hinweg, was eben nicht glänzt und funkelt. Auch Hunter macht Fehler, auch Hunter irrt. Und Alice tut das, was vermutlich jede Sub irgendwann macht: Sie überfordert sich selbst und übersieht die Alarmsignale ihrer Psyche. Auch das ist ein wichtiges, wenn nicht gar das wichtigste Thema im BDSM: Sei achtsam! Du kannst alles machen, aber achte dabei auf dich und deine:n Partner:in. Und redet. Redet lieber zu viel als zu wenig. Über das, was geschehen ist. Über das, was geschehen soll. Über das, was nicht geschehen soll. Über die Dinge, die sich in deinem Kopf (dabei) abspielen. Über die Dinge, von denen du träumst. Von deinen Wünschen und Bedürfnissen. Von deinen Abneigungen und Ängsten.
Und hör zu. Denn dem anderen geht es genauso.
Ich möchte diese Serie empfehlen. Uneingeschränkt. Den Neugierigen. Den Anfängern. Und den alten Hasen. Denn wir alle lernen nie aus und manchmal ist es wichtig, dass wir uns erinnern.
Liebe Margaux,
vielen, vielen Dank für diese Bücher. Für das Schmunzeln und das Kribbeln. Für das flaue Gefühl im Magen und die eine oder andere Erinnerung, die ich vergessen gehabt zu haben glaubte.
Die Bücher sind als eBook für Kindle und tolino und als Sammelbände überall im Handel erhältlich. Die Hörbücher sind zum Teil erschienen bzw. in Vorbereitung.
Hier geht es zur Übersicht der Autorin
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[…] Baines, Autorin von Paranormal und Dark Romance mit BDSM-Anteil, hat auf dem Blog ihrer Webseite eine Rezension von Hunters Liste verfasst, für die ich sehr dankbar bin. Wer jetzt denkt: Klar, die sind ja befreundet, immerhin hatten sie […]